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Eingeladen nach Andalusien -La Señora Hady gibt Kultur- und Deutschunterricht in Málaga

Eingeladen nach Andalusien -La Señora Hady gibt Kultur- und Deutschunterricht in Málaga

„Wow, was für ein CO2-Fußabdruck.“ Das war die Reaktion meines Bekannten (der kurzzeitig vergessen hatte, dass drei Autos vor seinem Haus mit 200m2 Wohnfläche für zwei Personen standen), als ich ihm begeistert erzählte, dass ich für einige Tage mit Erasmus nach Spanien fliegen würde. Und fast hätte ich ihn mitgenommen, als Negativbeispiel für Sätze, die man sich als Deutscher im Ausland lieber verkneifen sollte, wenn man im Ausland Freunde finden und behalten will.

Zu Anfang des Schuljahres kontaktierte mich die Erasmus-Koordinatorin vom Instituto Miraflores de los Ángeles en Málaga, ob ich nicht Lust hätte, eine Schülergruppe von zwanzig Schülern ihrer Schule auf ihren Schüleraustausch in Berlin vorzubereiten. Dieses Sprach- und Kulturtraining muss im Rahmen der Erasmus + geförderten Programme stattfinden. Natürlich war ich sofort begeistert, da ich schon meine Magisterarbeit über interkulturelle Höflichkeit geschrieben hatte und nach meinem 1. Staatsexamen für eine Consulting Firma in London gearbeitet hatte, die auf interkulturelles Arbeiten spezialisiert ist. Zwei Jahre DaF Erfahrung konnte ich zudem auch noch nachweisen und war so „the right woman for the job“. Der Flug wurde von Erasmus übernommen und zwei Tage schulfrei bekam ich auch.

Spanien begrüßte mich mit Licht und Sonne und ein paar verrückte Touristen badeten bei 18 Grad im Schatten im Meer. Endlich sah ich auch mit eigenen Augen, dass die spanischen Kinder tatsächlich am Abend des 5. Januars ein Teller mit Süßigkeiten für die Könige hinstellen und einen Teller mit Wasser und Gemüse für die Kamele. In der Nacht auf den 6. Januar bringen nämlich die Könige die eigentlichen Weihnachtsgeschenke. Bei der Königsparade (vergleichbar mit den Faschingsumzügen bei uns, nur dass zum Schloss drei Wagen mit Caspar, Melchior und Balthasar kommen) sammelte ich ganz fleißig ungefähr 2 kg Naschsachen für meine drei Spanischkurse am RGW.

Am nächsten Tag erreichte uns eine Kältewelle von 10 Grad und Regen. Lächerlich, mag man denken, wenn man nicht weiß, dass die Häuser und die Schulen dort KEINE Heizung haben. Bei Fliesenboden hatte es drinnen ungefähr 12 Grad, so dass ich den CO2-Fußabdruck mit dem Kauf eines Heizlüfters noch weiter vergrößerte.

Am nächsten Tag unterrichtete ich dann zwei Unterrichtsstunden über interkulturelle Höflichkeit auf Englisch und eine Stunde deutsche Kultur. Wir sprachen über Vorurteile, Geschichte und Kommunikationsmuster. Am nächsten Tag begrüßte mich ein Schüler mit den Worten: „Beckenbauer ist tot“, und wir drückten uns gegenseitig unser Bedauern aus. Weiterhin lernten wir Ausspracheregeln und übten kleine Dialoge. Nach zwei Tagen über deutsche Distanz und Sie versus Du, fragten mich zwei Schüler zum Abschied: „Dürfen wir Dir eine große Umarmung geben?“ Alles verstanden, wunderschön. Ich liebe Spanien.

Am Abend stand der Vortrag auf Spanisch vor den Kollegen an, der mich doch zugegebenermaßen die ganze Zeit über etwas nervös gemacht hatte. Dieser Vortrag über die Schule und das Bildungssystem des eingeladenen „Experten“ ist ebenfalls bindend für die Erasmus + Förderung. Wir stellten fest, dass die Gruppengröße und die Aufteilung der Schüler nach Fähigkeiten die wichtigsten Faktoren von Bildungsqualität darstellen. Das bayerische Schulsystem erntete großen Zuspruch. Ich selbst war überrascht von der disziplinarischen Konsequenz der Schule dort. Handys dürfen auf das Schulgelände gar nicht mitgenommen werden. Sie werden sofort konfisziert und der Schüler verliert 3 seiner 12 Punkte, die er am Anfang des Schuljahres bekommt. Das Handy verbleibt dann drei Tage im Sekretariat und muss von den Eltern abholt werden. Entonces, queridos alumnos del RGW, no seáis tan llorones, el nuestro no es para tanto. Beim Vergessen des Buches wird 1 Punkt abgezogen. Wenn der Schüler nur noch wenige Punkte hat, werden die Eltern telefonisch gewarnt und bei 0 Punkten wird der Schüler sofort für drei Tage vom Unterricht suspendiert. Die drei Schulleiter kümmern sich um dieses umgedrehte Flensburg-System, das sehr gut funktioniert. Jeder Krankheitstag muss außerdem mit einem Attest belegt werden.

Ich erklärte den Kollegen dort, dass ich die Erasmus-Koordinatorin 2003 an der Universität in den USA kennengelernt hatte. Dort, in einer verlorenen Kleinstadt im Mittleren Westen, fühlten wir uns so europäisch und so deplatziert. Wir vermissten Cafés, Fußgängerzonen, Leutebeobachten, historische Gebäude und schön angezogenen Menschen. Wir beide würden uns nun wirklich freuen, an unseren Schulen für Europa zu arbeiten. Europa ist so viel mehr als ein Parlament mit sehr vielen Abgeordneten, die fast niemand kennt und die Strohhalme verbieten. Es geht um Völkerverständigung, Werte wie die Gleichberechtigung von Mann und Frau und unsere gemeinsame Geschichte.

Wir vergessen oft, dass wir erst 80 Jahre ohne Kriege im Herzen von Europa haben. Auch dank Schüleraustauschen können wir uns nicht mehr vorstellen, dass Deutschland und Frankreich Krieg führen.

Alle Armeen und Rüstungsbetriebe zusammengenommen haben den viertgrößten CO2 Abdruck nach China, den USA und Indien. Deswegen mit vollster Überzeugung: Jeder Kilometer, den unsere Schüler oder unser Lehrpersonal im Namen der Völkerverständigung und der internationalen Zusammenarbeit zurücklegen, ist eine Investition und kein Fußabdruck.

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